Datenschutz und Auskunftsanspruch
Im Urteil vom 13. Mai 2025 (Az. OVG 12 B 14/23) befasste sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit einem hochaktuellen Thema: Der Auskunftsanspruch nach der DSGVO im Zusammenhang mit Videoaufnahmen aus öffentlichen Verkehrsmitteln – konkret der Berliner S-Bahn.
Das Urteil liefert rechtspraktisch bedeutsame Hinweise insbesondere für Unternehmen, die personenbezogene Daten im Rahmen ihres Betriebs in großem Umfang verarbeiten, etwa durch Videoüberwachung.
Der Fall: Videomaterial aus der Berliner S-Bahn
Ein Fahrgast verlangte nach einer S-Bahn-Fahrt auf Grundlage von Art. 15 DSGVO die Herausgabe der ihn betreffenden Videoaufzeichnungen. Die S-Bahn Berlin lehnte dies mit Verweis auf ihr Datenschutzkonzept ab: Die Aufzeichnungen würden nach 48 Stunden automatisch gelöscht, die S-Bahn könne selbst keinerlei Einsicht in das Material nehmen oder Fahrgäste identifizieren. Die Datenschutzaufsichtsbehörde sprach daraufhin eine Verwarnung gegen das Unternehmen aus.
Das Urteil: Zumutbarkeit als zentrales Kriterium
Das OVG hob die Verwarnung auf und entschied, dass kein Anspruch auf Herausgabe einer Kopie der Videoaufzeichnung besteht, wenn eine Identifizierung des Betroffenen nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. Besonders relevant an dieser Entscheidung ist, dass das Gericht das bestehende Datenschutzkonzept des Unternehmens ausdrücklich anerkannte: Die Trennung der Zuständigkeiten, die technische Begrenzung des Zugriffs, sowie die kurze Speicherdauer dienen dem Schutz aller Betroffenen und müssen im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung Berücksichtigung finden.
Das Gericht stellte klar: Die DSGVO verlangt von Verantwortlichen nicht, umfassende technische Möglichkeiten zur Identifizierung einzelner Betroffener zu schaffen oder die dazu existierenden Prozesse zu verändern, sofern dies zum Schutz der Daten und Rechte aller Betroffenen geboten ist. Ein personenbezogenes Datum liegt zwar schon vor, wenn die Identifizierung etwa über Strafverfolgungsbehörden denkbar ist – im Rahmen des Auskunftsanspruchs aber kommt es darauf an, ob die Identifizierung auch zumutbar umsetzbar wäre.
Interessenabwägung: Rechte Dritter und Aufwand
Ferner verweist das OVG auf die notwendige Interessenabwägung gemäß Art. 15 Abs. 4 DSGVO: Das Recht auf Auskunft darf nicht die Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigen. Im Fall der S-Bahn würden etwa die Rechte aller anderen Fahrgäste auf Datenschutz beeinträchtigt, wenn zur Erfüllung eines einzelnen Auskunftsbegehrens komplexe Prüf- und Identifizierungsprozesse aufgebaut werden müssten.
Außerdem bewertete das Gericht das individuelle Interesse des Auskunftssuchenden als eher gering, da er bereits umfassend über die Datenverarbeitungsprozesse informiert war und kein konkretes schutzbedürftiges Anliegen vorlag.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil stärkt die Position datenschutzkonformer Unternehmen und verdeutlicht, dass ein Auskunftsrecht seine Grenzen dort findet, wo dessen Umsetzung aufwändige technische oder organisatorische Änderungen erfordern und die Rechte Dritter betroffen sind. Unternehmen mit hochwertigen Datenschutzkonzepten sind demnach nicht verpflichtet, diese für einzelne Auskunftsbegehren aufzugeben oder zu unterlaufen.
Fazit
Wer Videoüberwachung verantwortet, braucht ein durchdachtes Datenschutzkonzept. Das Urteil zeigt: Gut gemachte, datenschutzkonforme Organisation schützt nicht nur Kunden und Beschäftigte, sondern entlastet auch im Ernstfall das Unternehmen selbst bei Auskunftsbegehren. Die DSGVO verlangt Transparenz – aber keine technischen und organisatorischen Verrenkungen, die den Datenschutz insgesamt schwächen würden.
Link zur Entscheidung: BeckRS 2025, 9616 / OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.05.2025 – OVG 12 B 14/23


